Quelle: manager-magazin.de
Der Mensch macht CRM
Von Daniela Hoffmann
Gut zehn Jahre nach der Erfindung von CRM-Systemen stellen Unternehmen und Berater fest, dass nicht alles so ist, wie es sein sollte. Ein nachhaltiger Erfolg des Kundenbeziehungsmanagements scheitert oftmals an der richtigen Umsetzung durch die Mitarbeiter. Aber auch die Chefs sind nicht ganz unschuldig an der Misere.
Bergisch-Gladbach - In der Autowaschanlage an einer Tankstelle bricht der Mercedes-Stern ab. Die Bitte um Entschädigung wird abschlägig beschieden, der Stern sei bestimmt schon durchgerostet gewesen. Die Hotline der Mineralölgesellschaft, deren Logo über der Tankstelle prangt, weigert sich, eine Beschwerde entgegenzunehmen: das sei Sache des Pächters. Kein Wunder, dass Stephan Bauriedel, CRM-Berater und Besitzer des besagten Fahrzeugs, noch immer Handlungsbedarf sieht, wenn es um Kundenbeziehungsmanagement geht.
Der Kunde ist König:
In vielen Unternehmen hilft CRM nicht bei der Umsetzung dieses Credos
Bis zum Jahr 2010 werden die Ausgaben für Software und Dienste für das Customer-Relationship-Management (CRM) jährlich um etwa 7 Prozent steigen, ermittelte das Marktforschungsinstitut Forrester Research und korrigierte damit seine Prognose um etwa 2 Prozent nach oben. Von 8,4 Milliarden Dollar in 2006 wird sich CRM in vier Jahren zu einem Elf-Milliarden-Dollar-Markt entwickeln.
Der vorherrschende, gebannte Blick auf Technik, auf Features und Funktionen geht den Spezialisten zufolge jedoch am Thema vorbei. Immer wieder klingt heraus: Technologie ist nachrangig, Strategie, Prozesse und Philosophie sind hingegen das Mark der CRM-Vorhaben. Sie werden aber eher stiefmütterlich behandelt. CRM-Maximen kommen wie Ladenhüter daher: Das Vertrauen und die Mitmachlust der Nutzer zu gewinnen, tatsächlich bei jedem Prozess zu schauen, ob er dem Kunden nutzt, ebenso wie das Vorleben und Engagement der Geschäftsleitung.
Dieser Gastbeitrag ist im Fachmagazin "IT-Director" erschienen. Hier finden Sie auch weiterführende Informationen zu diesem Thema.
"Umfrageergebnisse zeigen, dass sehr viele Unternehmen die realisierbaren Potenziale von CRM verstanden haben", sagt Frank Naujoks, Berater beim Marktforschungsunternehmen IDC. Dennoch gebe es Anwender, die Schwierigkeiten haben, eine Strategie zu definieren und sich mit der Umsetzung entsprechend schwer täten. "Wichtig ist zu begreifen, dass mit dem Kauf der Software nur ein kleiner Teilschritt gemacht ist", so der Experte. "Rund 80 Prozent von CRM besteht aus Change Management, 20 Prozent aus Technologie."
"Die meisten Unternehmen sind nicht auf dem Stand, auf dem sie sein sollten", konstatiert auch Nick Pöschl, Geschäftsführer des CRM-Dienstleisters Sensix. Die Bereiche Marketing, Vertrieb, Finanzcontrolling und Produktentwicklung als einzelne Inseln zu sehen, ist Pöschl zufolge ein klassischer Missstand, der derzeit von vielen Unternehmen angegangen wird. "Was und wie verkauft und vermarktet wird, steht in direktem Zusammenhang mit dem CRM", so Pöschl.
Bewegung im Dreieck
Für den CRM-Berater Stephan Bauriedel geht es beim CRM-Gedanken um Wertschöpfung, um Qualität am Kunden und um Leistungsfähigkeit im Unternehmen. Im Dreieck von Erwartung, Erfüllung und Aufwand gilt es, für alle Bereiche herauszukristallisieren, was eigentlich Optimierungsziel ist: Geht es um die Reduktion von Bearbeitungszeiten, Durchlaufzeiten oder Kosten? Und: Inwieweit beeinflusst ein Ziel andere Faktoren, zum Beispiel die Kostenreduktion die Qualität oder Kundenzufriedenheit?
© DPA
Ärger in der Waschstraße: Ersatzteillieferung oder Beschwerdeprozess?
Dazu gehört eine hohe Transparenz und exakte Kenntnis der eigenen Prozesse. "Entscheide ich mich für eine sofortige kostenlose Ersatzteillieferung an den Kunden, die im Endeffekt 50 Euro kostet und für Kundenbindung sorgt, oder durchlaufe ich einen Beschwerdeprozess, der vom Arbeitsaufwand her 200 Euro kostet und Unzufriedenheit hinterlässt?", lautet ein Beispiel des CRM-Beraters. Im Allgemeinen werde bei Projekten viel zu schnell auf die Datenbankebene gewechselt. Nach der Qualität von Kundenbeziehungen werde dagegen selten gefragt, häufig fehle eine Analyse der eigenen Stärken und Schwächen. "Unzufriedenheit ist eine Emotion des Kunden, die ein System nicht bewerten kann", so Bauriedel. Vielmehr gehe es darum, Unzufriedenheit zu analysieren und die Ursachen zu identifizieren – und die Dinge dann von vornherein richtig zu machen.
Die IDC identifizierte in einer kürzlich durchgeführten Studie in den USA – rund zehn Jahre nach ihrer ersten CRM-Markterfassung – drei Phasen oder auch Kategorien, die im Kundenbeziehungsmanagement durchlaufen werden. Zunächst wird CRM als Datenbanklastiges Unterfangen verstanden, um Kundeninformationen zu verwalten und Interaktionen aufzuzeichnen. In Phase zwei steht CRM sowohl für Software als auch für Strategie, um dem Kunden ein möglichst positives Erlebnis zu ermöglichen. In Phase drei geht es darum, mit CRM zukünftige Kundenbedürfnisse und Produktanforderungen darstellbar zu machen.
"Die wenigsten Unternehmen sind schon in der dritten Phase angekommen", stellt Naujoks fest. In der Regel seien dies die CRM-Pioniere, die sich sehr früh mit dem Thema Kundenbeziehungsmanagement auseinandergesetzt haben. "Die Mehrheit der Unternehmen befindet sich im Übergang von Phase 1 zu Phase 2", erläutert Naujoks.
Anwender leben CRM
Während die großen Unternehmen mittlerweile schon bestehende CRM-Systeme aufrüsten oder gar austauschen, ist der Mittelstand gerade dabei, IT-gestütztes Kundenbeziehungsmanagement zu etablieren. Selbst im produzierenden Gewerbe, das dem Thema über Jahre hinweg desinteressiert gegenüber stand, spielt CRM heute eine immer größere Rolle. Treiber sind ganz handfeste Nöte, zum Beispiel der Druck, angesichts globaler Konkurrenz organisatorisch schneller zu werden und neben – immer austauschbareren – Produkten das "gewisse Etwas" mehr zu bieten.
Leuze-Manager Gere:
"Ohne IT-Unterstützung ist effizientes Kundenbeziehungs-Management nicht machbar"
"Ein ganz wichtiges Argument für CRM ist die Problematik einer stark verteilten Datenbasis, die vor allem für mittelständische Unternehmen typisch ist", sagt Thomas Gere, Leiter Kundenzentrum und CRM-Applikation beim Optosensorik-Spezialisten Leuze. Diese mache es nahezu unmöglich, proaktiv in den Markt hinein zu agieren. Der Leidensdruck vor der Einführung einer CRM-Lösung des Softwareherstellers Update bei Leuze sei erheblich gewesen, denn es fehlte der Überblick über die verschiedenen Datentöpfe, erinnert sich Gere. Mit Datenbeständen in Excel und nicht kommunizierenden ACT-Datenbeständen sei die Energie fast ausschließlich in Abgleicharbeiten geflossen. Das 670 Mitarbeiter zählende Unternehmen aus der Nähe von Stuttgart stellte dann auch im Rahmen seiner CRM-Strategie die Vertriebsorganisation komplett um.
"Es ist schwierig, eine Durchgängigkeit in den Prozessen zu erzielen, die von der Angebotserstellung, dem Verfolgen der Angebote bis hin zum Abschluss reicht", beschreibt Gere das Problem. Gleiches gelte für mehrstufige Kampagnen, dem Festhalten von Ergebnissen, die Nachfassaktionen erbracht haben, um bei der nächsten Kampagne besser aufgestellt zu sein. Und: "Ohne IT-Unterstützung ist effizientes Kundenbeziehungsmanagement nicht machbar", so der Experte.
Die Zeit für Angebotserstellungen hat sich bei Leuze mindestens halbiert – einer der Größen, die vorher und nachher im Controlling verglichen wurden. Dass Aktion statt Reaktion nicht nur ein leeres Wort ist, belegt Gere zufolge die Statistik: Heute gibt es 40 Prozent mehr ausgehende als eingehende Anrufe im Kundenzentrum, vor einigen Jahren hielt sich das noch die Waage. In den USA wurde die Lösung bereits ausgerollt, in China ist man im Anfangsbetrieb, die 200-Nutzer-Marke überschritten.
Geres' Rat für erfolgreiche CRM-Projekte lautet: Einführung in kleinen, sicheren Schritten, anstatt Rundumschläge. "Die Nutzer-Akzeptanz ist neben den Unternehmenszielen wichtigster Faktor beim CRM", meint der Leiter des Kundenzentrums. Bei Leuze unterstützte ein fünfköpfiges CRM-Team gemeinsam mit der IT die Systemeinführung, um ein hohes Maß an Mitarbeitermotivation zu erzielen.
Den Kunden sehen
Ähnliche Erfahrungen hat auch Uwe Kreutz gemacht. "Über die Jahre hinweg haben die Anwender den Überblick über die vielen individuellen Datenbanken verloren – wir mussten einfach handeln", erklärt der IT-Projektmanager bei der Standardisierungsorganisation GS1 Germany. Das Unternehmen arbeitet mit 108 Mitarbeitern als Dienstleister an der Rationalisierung des Daten- und Warenverkehrs und international abgestimmten EAN-Nummerierungssystemen.
Beim ausgewählten Standardprodukt Sales-Logix von Sage war es den Kölnern vor allem wichtig, das System ohne großen Aufwand an eigene Prozesse anpassen und dafür das im Haus vorhandene Programmier-Know-how nutzen zu können. Die Anbindung an das ERP-System (Enterprise Resource Planning) Office-Line realisierte das Unternehmen selbst.
"Ein Rechnungsbeleg kann nun direkt aus dem Kontakt heraus erzeugt und archiviert werden", nennt der IT-Leiter ein Beispiel. Zudem ziehe das CRM-System Daten aus der ERP-Lösung, die für grafisch aufbereitete Auswertungen benötigt werden. "Wir haben lange Erfahrungen mit ERP-Integrationen hinter uns", erklärt Kreutz. "Die Einbeziehung der ILN (Internationalen Lokationsnummer) von bis zu 125.000 Firmen war früher unglaublich schwierig, eine automatisierte Rechnung zu generieren ein Kraftakt", so der IT-Projektmanager. Das habe sich mit der neuen Lösung geändert.
"CRM muss vorgelebt werden"
"CRM bringt vor allem einen fokussierten Blick auf den Kunden", sagt Kreutz. Das sei gerade in einer Struktur von vielen Gruppen mit verschiedenen Tätigkeitsbereichen und unterschiedlichem Wissen über Ansprechpartner entscheidend. Durch Workflows lasse sich der organisatorische Arbeitsaufwand zudem erheblich vereinfachen. "Damit sich die Investition lohnt, muss CRM von oben her vorgelebt werden – schließlich wird tief in die Verhaltensweisen und Arbeitsprozesse der Mitarbeiter eingegriffen", meint der Manager. Zugleich lebten die Systeme von der Disziplin, mit der Informationen eingespeist werden. "Ohne Mitarbeitermotivation sind CRM-Projekte deshalb zum Scheitern verurteilt", so Kreutz.
Die Selbstverständlichkeit, mit der mittelständische Anwender die CRM-Leitsätze leben, lässt sich auch als Erfolg der Strategen lesen. Und: "Der Mensch macht CRM. Die Software ist nur ein Werkzeug, das umsetzt, was der Mensch als Ideengeber vorgibt", resümiert Leuze-Leiter Gere.
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